Dachte ich auch – bis mir der Staff Kapitän meines letzten Einsatzes auf dem Kreuzfahrtschiff begegnete. Wohl wahr, kein schönes Ende meiner langen Zeit an Bord. Mobbing ist ein Thema, welches Frauen wie auch Männern, immer wieder begegnet. Das Thema ist nicht neu. An Bord allerdings haben wir die große Herausforderung: die beste Freundin, der beste Kumpel oder die Mutter ist nicht mit an Bord. Und selten kann die eigene Dynamik des Schiffslebens jemand zu Hause verstehen. Es kommt mit kleinen Schritte daher und wird von uns erst gar nicht als Mobbing wahrgenommen. Daher meine Empfehlung: sprecht mit einer Person eures Vertrauens darüber- offen und ehrlich. Auch wenn es sich in diesem Moment vielleicht irrelevant anfühlt, vertraut auf eure #Intuition!
Und hier zu meiner Geschichte:
“Dissmissal- das passiert mir doch nicht!”
Rums! In hohem Bogen flog die Tür direkt vor meiner Nase zu. Der Staff- Kapitän hatte mal wieder seinem Temperament freien Lauf gelassen.
Mein Herz stand für einen Moment still. Vorsichtig sah ich nach rechts und nach links, ob jemand den Vorfall bemerkt hatte. Zu meinem Erstaunen sah ich den Kapitän, nur zehn Meter von mir entfernt. Er lächelte. „Kein Problem“, schien sein Blick zu sagen, „so ist er nun mal.“
Was war passiert? Mein Vertrag als Human Resources Manager an Bord hatte vor vier Wochen begonnen. Es war mein erster Vertrag auf diesem Schiff – und es sollte mein Letzter sein. Was ich damals noch nicht wusste.
Mein neuer Arbeitstag an Bord
Ich saß in meinem Büro, wie jeden Morgen um neun Uhr, um meine E-Mails zu checken. Da die Büros auf Schiffen immer sehr klein sind und selten Tageslicht haben, war meine Tür immer offen. Gerade als Personalleiterin empfand ich es als wichtig, die Open-Door-Mentalität an Bord den Führungskräften nicht nur nahezulegen, sondern sie auch zu leben.
Eine halbe Stunde später kam ein gut aussehender Offizier vorbei. Leicht grau-melierte, kurze Haare, groß und braun gebrannt – sehr charmant. Er klopfte an meine Tür und stellte sich sogleich mitten in mein kleines Büro.
„Hallo, schöne Frau, da bin ich“, sagte er und lächelte mich an.
„Wollen wir einen Kaffee trinken gehen, um uns besser kennenzulernen?“
Prinzipiell bin ich ein spontaner Mensch und freue mich über jede Einladung zum Kaffeetrinken. An diesem Tag hatte ich allerdings viel zu tun und sagte ihm freundlich, aber bestimmt, dass ich das gern auf einen anderen Tag verschieben wollte. Irgendwie fühlte ich mich unwohl in seiner Gegenwart. Dass dies mein erster Punkt auf seiner Abschussliste war, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die Zeit ging ins Land und es folgten kleine Aufmerksamkeiten wie Blumen, eine Tafel Schokolade, eine Einladung zum Abendessen. Ich bedankte mich immer brav, ließ jedoch klar und deutlich erkennen, dass ich an nichts weiter als an einer guten, professionellen Zusammenarbeit interessiert war.
Als Personalleiter ist man an Bord für alle Belange der Crew zuständig
Ein Techtelmechtel mit dem Staff-Kapitän, der die rechte Hand des Kapitäns ist und mein Ansprechpartner in disziplinarischen Fragen, kam für mich nicht infrage. Ich
wollte neutral bleiben. Dennoch konnte ich spüren, dass ich vorsichtig sein musste. Das Eis in Branchen, die sehr männerlastig sind, ist dünn. Männer haben hier klare Regeln – entweder Du spielst mit oder Du bist raus. Ich versuchte, die Balance zu halten.Die Zeit verging und wir hatten etliches miteinander zu klären.
Angefangen von einer Schlägerei im Restaurant, bei der wir völlig konträre Auffassungen über die erforderlichen disziplinarischen Maßnahmen vertraten (fristlose Kündigungen oder Abmahnungen?) bis hin zur Organisation einer Crewparty.
Es war Karnevalszeit und wir waren in der Karibik. Das Crew Welfare Commitee wünschte, für die Besatzung eine Karnevalsparty zu organisieren. Gesagt, getan. Ein Datum wurde festgelegt, ebenso das Budget und wer für was verantwortlich war. Da die Aufgabe „Wer räumt danach auf?“ sehr mühselig zu besetzen ist und ich die Mooringstation dem Deck Department wieder sauber übergeben wollte, meldete ich mich hierfür.
Mit Plänen für allen Vorbereitungen und Abläufe ging ich auf die Brücke zu dem wöchentlichen Jour Fix mit dem Staff-Kapitän und trug ihm die Details vor.
Als ich ihm die Getränkebestellung überreichte, sagte er zu mir: „Die Crewpartys, die ich freigebe, sind ohne Alkohol.
Denken Sie an unsere Policy.“
Mit fiel die Kinnlade herunter. Ja, ich kenne die Seefahrt und das Thema Alkohol. Es ist nicht immer einfach, um nicht zu sagen, es ist grenzwertig. Aber erwachsenen Menschen, die sieben Tage die Woche arbeiten, eine Kindergeburtstagsparty mit Brause und Wasser zu organisieren, das ging zu weit.
Ich sagte an der Stelle nichts weiter und ging zum nächsten Punkt über. Nachdem unser Meeting beendet war, überlegte ich mir sorgfältig meinen nächsten Schritt. Nur nichts Unüberlegtes tun, dachte ich und pagte den Kapitän mit der Bitte um persönliches Gespräch an. Ich erzählte ihm von den Annäherungsversuchen, den Fehlentscheidungen und dem persönlichen Gerangel. Die Krönung war nun die Non-Alcohol-Party, die ich so nicht organisieren würde. Ich legte ihm die Vorkommnisse der letzten vier Wochen Stück für Stück dar.
„Natürlich gibt es Bier und Wein für die Mitarbeiter, die off duty sind. Die Verantwortung dafür liegt bei jedem Mitarbeiter selbst.“
Bingo! Treffer – versenkt.
Der Staff-Kapitän, vom Kapitän darüber informiert, dass dieser das so freigegeben hatte, kochte vor Wut.
Die Party stieg, alle hatten Spaß. Die karibische Sonne ging unter und eine frische Meeresbrise wehte mir um die Nase. Ich stand mit meinem Glas Wasser und meiner Uniform mitten im Getümmel und freute mich, dass alles so gut lief und die Mitarbeiter entspannen konnten. Als der Staff-Kapitän vorbeikam, ignorierte er mich.
Es war gegen 4 Uhr am Morgen, als die Party vorbei war
Das Housekeeping Department und ich fingen an, die Mooringstation sauberzumachen. Als wir fertig waren, genehmigte ich mir vor dem Zubettgehen mit dem Blick auf das Wasser ein Glas Wein. Als ich fertig war, kam einer unserer Security Officers zu mir und sagte: Ich habe eine Anweisung vom Staff-Kapitän, Dich mit ins Hospital zu nehmen. Alkoholkontrolle.“
Danach ging alles ziemlich schnell. 0,0 Promille ist im Dienst laut den Richtlinien vorgeschrieben. Somit war mir klar, dass ich wegen vom Alkohol im Dienst fristlos entlassen werde. Er hatte gewonnen.
Am nächsten Morgen bekam ich mein „Dismissal“ vom Kapitän und dem Schiffsrat ausgesprochen und durfte noch am gleichen Tag absteigen. Einen Tag später flog ich nach Hause – noch völlig unter Schock stehend.
Zwei Wochen päter bekam ich ein Jobangebot und zog mit Sack und Pack in die Schweiz, in der ich von Land aus die Personalarbeit für die Kreuzfahrtschiffe nach vorn bringen konnte. Bis zur Geburt meiner Tochter habe ich dies mit Herzblut getan.
Mein Fazit aus diesem Lebensabschnitt: Bleibe Dir immer treu.
Schau in den Spiegel, wenn Du eine Entscheidung triffst.
Du wirst gesehen und wahrgenommen – unabhängig vom Geschlecht. Kommuniziere. Tausche Dich aus. Halte den Kontakt zu allen Menschen in Deinem Arbeitsbereich. Zeige Courage und bleibe authentisch. Jeder Fehler hat etwas Gutes. In dem Fall war es mein endgültiger Abschied vom operativen Schiffsleben.
Ausgang Deck 3.
Nachtrag: Der Staff-Kapitän wurde nach seiner Fahrenszeit mit einem „no return“ entlassen. Er kaufte sich danach ein Grundstück auf einer karibischen Insel, auf der er wahrscheinlich heute noch lebt. Auf einer meiner Dienstreisen habe ich ihn noch einmal gesehen: als er ein Carepaket mit Essen von Bord entgegennahm. Er sah abgemagert aus.