Der Wandel hat begonnen

Der Wandel hat begonnen

Die Kreuzfahrt ist komplett zum erliegen gekommen

Nur wenige Industrien wurden so schwer von der Corona-Pandemie getroffen, wie die Kreuzfahrt-Industrie. Der Umsatz der drei größten Kreuzfahrt-Reedereien war im zweiten Quartal 2020 verschwindend gering. Der Umsatz von Carnival, Royal Carribean und Norwegian schrumpfte um 85 bis 99 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Nachdem die Kreuzfahrt schon im Februar von einem großen Coronavirus-Ausbruch auf der Diamond Princess überschattet wurde, haben in den folgenden Monaten mehr und mehr Schiffe Infektionsfälle auf ihren Seefahrten gemeldet. Das hat letztendlich dazu geführt, dass der Großteil der Kreuzfahrt-Reedereien ihren Betrieb komplett eingestellt haben. Einen ersten Versuch die touristische Schifffahrt wiederzubeleben hat die Norwegische Hurtigruten Mitte Juni unternommen. Allerdings haben Hygienemaßnahmen und Abstandregeln auch diesmal nicht ausgereicht und rund 40 Passagiere an Bord der MS Roald Amundsen wurden später auf positiv auf Covid-19 getestet. Es ist tragisch für die Unternehmen und die Millionen von Seefahrers weltweit, die sich nun bis zum erneuten wiederbeleben der Kreuzfahrt eine andere berufliche Perspektive suche müssen.


Gerade für unsere asiatischen Kollegen ist dies eine Herausforderung-hier in dem deutschsprachigen Lande sind wir durch das soziale Netz noch ein wenig aufgefangen.

Als ich vor mehr als 17 Jahren meine Liebe zur Seefahrt entdeckte sah der Markt noch sehr gemäßigt aus. Auf dem deutschen Markt gab es einige Reedereien mit kleinen Flotten und überschaubarer familiärer Atmosphäre. Man kannte sich unter der Crew und wusste, wer wo unterwegs ist.

Jetzt, im Jahre 2021, steht auf der internationalen Liste der größten Kreuzfahrtschiffe „AIDAnova“ mit 5228 Passagieren Kapazität an Bord auf Platz 4 – vorne weg drei Megariesen der Reederei Royal Caribbean mit 5518 Passagieren (Quelle: Statistica, Oktober 2019). Was das an Logistik der Versorgung, Manpower an Bord und Umweltbelastung mit sich bringt können wir uns nur annährend vorstellen.

Sicher, es war schön das jeder Mensch, auch solche mit keinem hohen Einkommen, die Möglichkeit hatten eine Karibik Kreuzfahrt im Winter zu geniessen. Gerade um die Weihnachtszeit habe ich oft an Bord mehrere Generationen erlebt die es genossen haben ohne grosses Kofferpacken mehrere Inseln zu erleben und gleichzeit fernab des Alltagsstresses ihre Weihnachtsganz und Bescherung unter der Sonne an Deck zu erleben. Und auch die älteren Generationen, teilweise mit kleineren Renten, hatten nun auf einmal die Möglichkeit den hohen Norden mit St.Petersburg und Spitzbergen zu erkunden. Luxus war für jedermann buch- und bezahlbar. Aber was macht unendlicher Wachstum mit uns allen? Es wird Masse statt Klasse.Quantität statt Qualität. Billige Arbeitskräfte statt gut bezahlte Mitarbeiter. Wertschätzung fällt hinten runter wenn die Crew nur noch als Nummer durch die Crewbereiche läuft weil man sich untereinander gar nicht mehr kennt.Die Agenturen schickten die Menschen zu immer günstigeren Tarifen. Ich könnte jetzt dieses Szenario unendlich fortsetzten. Aber darum geht es mir nicht. Ich erinnere mich noch gut an den Anfang meiner Seefahrerzeit:


April 2000, Genua Italien. „Bist du wahnsinnig“, war das Erste, was mir durch den Kopf schoss, als ich vor diesem Block aus Metall stand. Das ist es also, dachte ich so bei mir. Wochenlang hatte ich mich auf meinen allerersten Einsatz an Bord gefreut und nun beschlich mich schlichtweg Angst. Angst, auf diesem Schiff unterzugehen, es nicht zu schaffen und dennoch kribbelte es in meinem Bauch. Vorfreude stieg auf und ich konnte es kaum erwarten, an Bord zu kommen.


Ich nahm nun all meinen Mut zusammen und ging zur Gangway. Ich sah, wie dort ein Gabelstapler Ware vom LKW in den Schiffsbauch lud und fragte einen der Mitarbeiter, wo denn hier der Eingang für die Crew sei. „Deck 3, Steuerbord“, sagte er zu mir. Ich nahm also mein Herz in die Hand und meinen Koffer in die andere und lief zur rechten Seite, ein paar Stufen über die Gangway und schon hatte es mich – das Schiffsvirus. Auf ein Schiff aufzusteigen hat immer wieder eine neue Magie, es ist wie eintauchen in eine andere Welt, in ein anderes Leben. Andere Gerüche, viele fremde Menschen aber doch immer das Gefühl,  zu Hause zu sein. Ich ging in das Büro der Personalabteilung zum Check-in. Pass und Kreditkarte wurden abgegeben, Crewkarte mit einer Sicherheitsnummer (was im Notfall zu tun ist) und meinem Zimmerschlüssel sowie der dazu gehörigen Door Karte wechselten die Besitzer. Die Seetauglichkeitsuntersuchung erfolgte, Adressen für den Notfall wurden abgefragt, die Crew Sprechstunde wurde erklärt.


Meine Vorgesetzte holte mich eine halbe Stunde später ab und schon ging es durch das Wirrwarr der Gänge runter in meine Kabine auf Deck 2. Erst einmal die Koffer abstellen. Ich war damals als Mitarbeiterin in einer Doppelkabine untergebracht (später, als Shore Excursion Managerin und Personalleiterin in einer Einzelkabine). Wieder hoch auf Deck 3 und ab zum Schneider, die Uniform abholen, in der Crewmesse einmal kurz Luft holen und ein Glas Wasser trinken. Zurück in meiner Kabine auf Deck 2, verabschiedete sich meine Vorgesetzte. 30 min hatte ich nun Zeit auszupacken. Ich schaute mich erst einmal in Ruhe um. Meine Mitbewoherin, die ich bis dato noch nicht kannte, schien für sich den unteren Platz belegt zu haben. Auf den Doppelkabinen sind immer Männer und Frauen getrennt und teilweise auch nach Abteilungen aufgeteilt. Ich hatte damals eine Kollegin aus dem Bar Department mit auf der Kabine. Sie schlief tagsüber, wenn ich auf Ausflügen war. Wenn ich am Abend Feierabend hatte, ging sie arbeiten und somit sind wir uns nie wirklich gross in die Quere gekommen. Das war äußert praktisch, da wir wirklich zwei völlig verschiedene Wesen waren. Einen Umzug in eine andere Crewkabine wäre zwar möglich gewesen, aber wer möchte das gern. War der Vorhang zum Bett zu, wollte sie entweder schlafen oder nicht gestört werden.


Dies ist übrigens die einzige Möglichkeit an Bord, tatsächlich eine gefühle „Privatsphäre“ an Bord zu haben. Bei allem anderen ist man immer unter Beobachtung- gewollt oder ungewollt. Einmal unter der Beobachtung der anderen Crewmitglieder oder, wie wir auch immer zu sagen pflegen, “geht die Tür zum Passagierbereich auf, stehst Du auf der Bühne, Spot on“. Wir als Besatzung sind das Aushängeschild des Unternehmens und sollten somit immer profesioneller Ansprechpartner für die Gäste sein – gut gelaunt, versteht sich. Auch wenn sich die Fragen permanent wiederholen und Frau innerlich schon mit den Augen rollt. Das war auch der Grund für mich, aus dem aktiven Gästekontakt in die Personalarbeit zu wechseln. Ich konnte einfach nicht mehr immer die gleichen Fragen beantworten und dabei von Herzen freundlich sein. Ich war nach einigen Jahren tatsächlich „durch“ mit diesem Thema.


Ein kleiner Spind, ein Schreibtisch (für 2 Personen), 2 abschließbare Schubladen sowie eine kleine Nasszelle (hier konnte man auf der Toilette sitzend, gleichzeitig sich die Zähne putzen, den Toilettengang verrichten und anschliessend duschen; also extrem Platz sparend), sollten also für die nächsten 6 Monate mein zu Hause darstellen. Kein Tageslicht inklusive. Ufff…!


Auf den Plan schauend fand ich nun auch die Schalter, an denen die Ausflüge gebucht werden. Hier wollte ich mich mit meiner Vorgesetzten treffen, um das Team kennen zu lernen. Ich lief der Beschilderung nach und ging aber erst einmal auf das Sonnendeck. Ist das schön hier, dachte ich bei mir. Ich schaute aus einem der großen Panoramafenster und sah die Sonne, ein andres Schiff und die Weite des Meeres. In meinem Herzen wurde es warm. Ich konnte dieses Gefühl nicht beschreiben, aber die Weite des Meeres zu sehen, ließ mich einen inneren Frieden fühlen, den ich sonst nie wieder gefunden habe in meinem Leben. Maria, meine Vorgesetzte, nahm mich mit ins Back Office. Auch hier war alles klein und eng, aber zumindest mit Tageslicht. Meine anderen 6 Kollegen, auch Reisebegleiter, wurden mir vorgestellt. Ich bekam einen Buddy an die Seite gestellt. Sie hieß Sabrina. Und sie würde in den nächsten zwei Wochen mein Schatten sein und mir helfen, mich zurecht zu finden. Sowohl räumlich, als auch zeitlich und zwischenmenschlich.


Sie war in der ersten Zeit mehr als mein Buddy. Sie erklärte mir auch die Themen, die nicht niedergeschrieben standen. Wo ich zum Beispiel mehr Handtücher bekomme, wo ich meine Post abholen kann, warum die Philippinen immer so viel Reis essen, das Pumps einfach unpraktisch sind, weil das Schiff manchmal ganz schön Seegang hat. An welchem Hafen es ein Terminal mit Wlan-Empfang gibt, welcher Hafen die beste Möglichkeit zum einkaufen und die beste Pizza hat. Das das Bordhospital auch für die Crew am Vormittag Sprechstunde hat – einfach die kleinen, dennoch wichtigen Themen. Und so ging sie los für mich, meine Reise in einen neuen Lebensabschnitt. Ich wusste damals noch nicht, was wasserdichte Türen sind, wo ich meine Batterien entsorgen kann, warum ich an Bord keinen Wasserkocher nutzen darf, wo sich die Crewmitgieder die Haare schneiden lassen und und und… ! Es gab so viel zu lernen, Gewohnheiten loszulassen, Themen zu reflektieren und zu hinterfragen. Und sich zu wundern und zu stauen, über die Vielfältigkeit an Menschen und Möglichkeiten zwischen Deck 2 und Deck 3.

Wie wird es weitergehen mit Corona und der Seefahrt?

Viele, wirklich viele Veränderungen stehen uns bevor. So, wie die Seefahrt einmal war wird es sie nie wieder geben. Und das ist gut so. Ich freue mich auf weniger Schiffe, kleinere Reedereien, weniger Umweltbelastung. Einige Reedereien haben bereits vor der Krise angefangen das Thema Treibstoff zu überdenken.

Wie wird der Mix an Nationalitäten sein? In der Vergangenheit hatten wir sehr viele asiatsiche Mitarbeiten an Bord. Wenn ich mir zur jetzigen Zeit die Situation über die Verteilung der Impfstoffe weltweit anschaue und somit die Möglichkeit des wieder Reisens und Arbeitens erwarte ich auch hier einen Wandel. Und der könnte: “weg von asiatischen günstigen Mitarbeitern“ hinzu gut ausgebildeten europäischen Mitarbeitern und demzufolge höheren Löhnen gehen. Muss aber nicht. Wenn wir uns auf der anderen Seite die europäische Wirtschaftskrise anschauen können wir hier auch Ost- oder Südeuropäer zum gleichen Gehalt einstellen. Es bleibt spannend.

Viele langjährige Mitarbeiter und werden die Chance nutzen und sich jetzt ein neues Leben an Land aufbauen. Ich kann mich noch gut daran erinnern wie schwer der Absprung  für mich war. Hatte man erst einmal eine Managementposition erreicht war das Leben an Bord recht angenehm.Essen in allen Restaurant, Allownces für die Bar, Sport im Passagiersbereich,Friseur und Kosmetik gleich nebenan, eine Einzelkabine mit täglicher Reinigung, die Wäsche wird gewaschen- es wird einem alles abgenommen. Man brauch „nur“zu arbeiten. Ich möchte es nicht verherrlichen, es ist anstrengend 24/7 zu arbeiten.Aber es hat auch seine Vorteile. Und die Streifenuniform macht ja, gerade für Männer, mental etwas mit uns-das gesehen werden und somt die ausserliche Wahrnehmung von „Wau- ein Offizier“ hinzu Jeans und Pullover wie jedermann kann das Ego ganz schön anschlagen. Viele Managementpositionen werden frei, die über die Jahre besetzt waren. Und das ist gut so. Raus aus den alten Schuhen der Herachie und altem, weissen Mann „Thomas“ Management.

Ich meine das nicht böse- habe ich in meiner Zeit an Bord mit tollen Männern zusammen gearbeitet. Aber genauso gab es hier, wie auch in allen anderen Bereichen der Wirtschaft, ein Netzwerk der „weissen Männer“, die sich gegenseitig die Jobs zugespielt haben.Frauen hatten hier nur bedingt eine Chance.Ich bin überzeugt, dass Teams, in denen Frauen mitarbeiten, bessere Teams sind.Sie entscheiden besser und haben eine bessere Teamkultur.

Lassen wir uns überraschen wie der Neustart gelingt!

Viele Managementpositionen werden frei, die über Jahre besetzt waren

Und das ist gut so. Raus aus den alten Schuhen der Herachie und altem, weissen Mann „Thomas“ Management.

Ich meine das nicht böse- habe ich in meiner Zeit an Bord mit tollen Männern zusammen gearbeitet. Aber genauso gab es hier, wie auch in allen anderen Bereichen der Wirtschaft, ein Netzwerk der „weissen Männer“, die sich gegenseitig die Jobs zugespielt haben.Frauen hatten hier nur bedingt eine Chance.Ich bin überzeugt, dass Teams, in denen Frauen mitarbeiten, bessere Teams sind.Sie entscheiden besser und haben eine bessere Teamkultur.

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